Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft. Erste Ausgabe, Riga 1781.

„Critik der reinen Vernunft“, eines der wichtigsten Werke der Philosophie des Abendlandes überhaupt, in dem Kant nichts weniger als eine „Revolution der Denkungsart“ in Angriff nahm, oder wie er selbst schrieb: „Was sind die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis?“, denn „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (ebd. AA III, 75), und: „Die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt“ (ebd. AA IV, 92). Verlegt wurde dieses Buch 1781 bei Johann Friedrich Hartknoch, den Kant auf Vermittlung des Münsteraner Philosophen Johann Georg Hamann kennengelernt hat.

Nach recht erfolgloser Rezeption dieser ersten Auflage – Moses Mendelssohn sprach von einem „Nervensaft verzehrenden Werk“ – folgte eine stark überarbeitete zweite Auflage, die als einzige Grundlage aller weiteren Ausgaben diente. Indes hat nicht jeder Leser und nicht jede Leserin diese Überarbeitung als Verbesserung aufgenommen. So schrieb etwa Schopenhauer erbost: „Aber Keiner bilde sich ein, die ,Kritik der reinen Vernunft’ zu kennen und einen deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten, oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu Jedermanns Warnung auszusprechen.“

Das Titelblatt unserer Erstausgabe der „Critik der reinen Vernunft“ ist aufgezogen, im unteren Bereich mit altem Papier ergänzt und mit dem Stempel der Biblioteka moskovskoi dukhovnoi akademii, der Bibliothek der Moskauer Geistlichen Akademie (in vorrevolutionärer Typographie gesetzt), versehen. Das Institut wurde 1918 von den Bolschewiken geschlossen. Bis dahin hatte Pavel Florenskij dort unter anderem über Kant gearbeitet und gelehrt. Da bis zu diesem Zeitpunkt die Akademie-Ausgabe noch nicht sehr weit erschienen war, benutzte er vermutlich dieses Exemplar (vgl. „Pawel Florenski und Kant“, Kant-Studien 1967, Bd. 92, H. 1, S. 81-103). Dieses ansonsten sehr wohl erhaltene Buch weist auf den letzten vier Blättern kleine Tintenflecke und auf einer Seite ein winziges Loch mit geringem Buchstabenverlust auf. Das Widmungsblatt hat Eintragungen von alter Hand.

Bibliographische Angaben: PMM 226; Warda 59; Adickes 46. (MS)