Joseph Beuys: Palazzo Regale  Zeichnungen – Photographien – Pläne. Umfangreiches Konvolut zu seinem letzten Werk.

PALAZZO REGALE umfangreiche Sammlung zu letztem Werk von Joseph Beuys, bestehend aus: 3 Notizzeichnungen von Joseph Beuys (Kugelschreiber auf Pergamentpapier DinA4 gefaltet), 9 Originalfotografien (Format DinA4) von Claudio Abate von der Erstaufstellung des Palazzo Regale im Dezember 1985 für eine temporäre Ausstellung im Museo di Capodimonte Neapel, einzeln aufgezogen mit einem vergoldeten Wechselrahmen in einer handgebundenen Lederschatulle. Technische Konstruktionspläne (mehrfach ausfaltbar) für die Anfertigung der 2 Vitrinen des Palazzo Regale vom Hersteller, die dazugehörige Kostenkalkulation, Rechnung und Spezifikation etc. Aufzeichnungen des Herstellers zu den Besuchen bei Beuys mit wertvollen Hinweisen zur Werkgenese (Vorbild für die Vitrinen) und zur künstlerischen Gestaltung vor Ort (von Beuys aufgetragene Vergoldung als künstlerischer Akt etc.) Sammlung zahlreicher Einladungen, Zeitungsausschnitte sowie Postkarten und Korrespondenz mit dem Umfeld von Beuys. (MS)

Am 23.12.1985, genau einen Monat vor Beuys’ Tod, eröffnete das Museo Capo di Capodimonte in Neapel die Installation Palazzo Regale in einem großen Marmorsaal, in dem zuvor Andy Warhol ausgestellt hat. Für Warhol zog man eine Art Innenraumrahmen aus Stellwänden vor die Fensterfronten des Marmorsaals, deren natürliche Lichteinstrahlung nun nur indirekt über die Stellwände hinaus in den Raum drang.

Beuys verteilte an den Wänden sieben Messingtafeln, die mit Dammafirnis bestrichen waren, in dem sich Goldstaub befand und auf denen noch die Fingerabdrücke hafteten. Fast wie eine Erinnerung an die verdeckten Fenster. Man hat sie auch als blinde Spiegel bezeichnet.

Dazu hat er schneewittchensarghaft zwei Messingvitrinen aufgestellt, die Utensilien aus vergangenen Performances enthalten und wie zwei Leichname eines armen und reichen Mannes angeordnet sind.

In der einen Vitrine: ein Abguss des Kopfes von der Arbeit Straßenbahnhaltestelle, Venedig 1976, ein mit blauer Seide gefütterter Luchsmantel, den Beuys bei der Aktion Iphigenie/Titus Andronicus 1969 in FFM trug, samt der beiden ‚goldenen’ Konzertbecken aus derselben Aktion, die aufrecht an der Vitrinenwand lehnen und ein Tritonhornschneckengehäuse – Triton, ein Sohn des Poseidon, wohnte in einem goldenen Palast auf dem Meeresgrund. 1974 hat Beuys es auf Capri erworben und es kann wie ein Instrument geblasen werden. Bei der Besetzung der Akademie 1972 zur Abschaffung des NC, die ihn schlußendlich dafür entließ, geht die Sage, habe er es benutzt.

In der zweiten: ein Rucksack mit Filzkeil, der aus ihm herausragt, zwei Spazierstöcke, einer mit einem Stück Filz ummantelt, zwei vertrocknete Rollschinken, ein großes Stück Speck. Kupfergerät mit Seilspannen und zwei aufgesetzten Kupferklemmen für Starkstromkabel.

Das gesamte Arrangement, so kurz vor seinem Tod, wurde wie eine Art Mausoleum eines Wanderers zwischen den Welten von Materie und Geist gelesen und wie sein eigenes Vermächtnis, mitsamt seiner Zeit seines Lebens verwandten künstlerischen Materialien: Fett und Filz.

Beuys, dem der Begriff der Sozialen Plastik mehr galt, als das Werk, denn auf die Frage, welches Werk ihm persönlich am meisten bedeute, antwortete er: Der erweitertet Kunstbegriff, schien sich hier seine eigene Grabkammer eingerichtet zu haben.

Hier liegt nun ein weiteres einmaliges Werk zu Beuys letzter bedeutender Arbeit vor, das Claudio Abate in 9 Farbfotografien prächtig abgelichtet hat, die der schwarzen Box mit einem schmalen vergoldeten Rahmen beiliegen, in dem man sie einzeln präsentieren und auf sich wirken lassen kann.

Die Box ließ der Handwerker anfertigen, der für Beuys’ letzte Arbeit die beiden Vitrinen realisierte und er stattete sie mit der gesamten geschäftlichen Korrespondenz, großen ausfaltbaren Konstruktionsplänen für die Vitrinen, Zeitungsausschnitten, Einladungspostkarten, Briefen und Abates Fotografien, wie filigranen Handzeichnung und Signaturen aus, die aus Beuys’ eigener Hand stammen.

Beuys signierte hier mit „clootsanarchasisbeuys“, ein Landsmann, wie er, aus dem Rheinland. Anacharsis Cloots, von Beuys als Freigeist und Kosmopolit verehrt, „Redner des Menschengeschlechts“, war prominenter Verfechter der universellen Gültigkeit der Menschenrechte und wurde während der Französischen Revolution geköpft. In seinem Namen signierte Beuys immer mal wieder.

Die Kassette ist so einmalig wie Beuys’ Werk selber. Sie ist das Vermächtnis eines Handwerkers, dem ganz und gar bewusst war, dass sein Beitrag zum Palazzo Regale für den vielleicht wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts mit an dessen eigenem Kredo wirkte: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Damit macht sie, wie vielleicht kaum ein anderes (antiquarisches) Buch wahr, was uns allen aufgegeben ist: weniger Verehrung, als ein Weitertragen und -denken von allem, was wir durch Bücher erfahren, wozu sie uns anleiten und worin sie uns aufklären. Hier liegt ein eigenes Kunstwerk vor, das an einem Kunstwerk mittat, das so viel mehr ist, als Kunst. Hier tat jemand, wie Beuys uns auftrug, und hat den Kunstbegriff erweitert durch seine eigene Arbeit. (XO)